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AutorenbildOlivia Alig

Medienkompetenz von Eltern und Kindern durch Mediation fördern.

Aktualisiert: 5. Dez. 2024

Empowerment von Familien in Sachen Mediennutzung.

Medienkompetenz durch Mediation für Familien
www.online-mediation-beratung.de

Prolog: Das Thema Medienkompetenz könnte im Rahmen einer Familienmediation integriert werden, um Konflikte zu klären, die durch unterschiedliche Mediennutzungs-gewohnheiten oder -verständnisse innerhalb der Familie entstehen. Insbesondere bei Trennungs- und Scheidungs- sowie Patchworkfamilien „landen“ Streitigkeiten über die Mediennutzung der Kinder, Internet, Apps, Social Media & Games inzwischen vor den Familiengerichten. Gleichzeitig kann eine exzessive oder zu frühe Mediennutzung zu Kindeswohlgefährdungen führen (§ 8a SGB VIII, §§ 1666, 1666a BGB). Hier sind das mediale Kindeswohl und Altersgrenzen zu beachten sowie die bekannten Positionspapiere der WHO, der Kinderärzte, BZgA, u.a., insbesondere die frühe Kindheit betreffend. Diese Erkenntnisse und damit der essenzielle (Gesundheits-) Schutz der kleinen Kinder sind auch in einer Mediation nicht verhandelbar!

Jenseits dieser Grenze, etwa ab einem Alter von 12 Jahren*, ist davon auszugehen, dass die oft gestellte Frage – „Ab wann ein Smartphone für unsere Kind?“ – eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung gemäß §§ 1628, 1687 BGB darstellt. Unter Berücksichtigung des individuellen Wohls ihres Kindes müssen die sorgeberechtigten Eltern einvernehmlich und gemeinsam entscheiden. Die Erfüllung des Kindeswohls ist die zentrale Erziehungs-aufgabe der Eltern (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG), auch bei der Medienerziehung. Im Rahmen der Mediation können die Mediatoren sie begleiten, ihre Kinder im Blick zu behalten.


In Hinblick auf die Entwicklungen von Künstlicher Intelligenz sind bereits weitere herausfordernde Fragestellungen und Medienkompetenzanforderungen auf Eltern, Kinder und Familien hinzugekommen.


Gemäß der UN-KRK und dem Comment No. 25 gelten die Kinderrechte – Schutz, Förderung & Beteiligung – auch in der digitalen Welt. Dabei ist das Kindesinteresse (Wohl & Wille) vorrangig zu berücksichtigen. Kinder haben damit u.a. ein Recht auf Schutz, Förderung und Beteiligung und daher auch auf (altersgerechten) Zugang zu Medien sowie Selbstbefähigung und (Medien-)Bildung. Zudem sieht § 1626 Abs. 2 BGB vor, dass Kinder und insbesondere Jugendliche, je nach individuellem Entwicklungsstand, mit in Erziehungsentscheidungen einbezogen werden sollen. Das Thema Medienkompetenz steht u.a. im Spannungsverhältnis zwischen Erziehungsrecht, Erziehungspflicht, Kindeswohl und Kindeswille.


Immer wenn verschiedene Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten (hier jeweils der Eltern, der Kinder und Jugendlichen) miteinander ausgehandelt werden sollen, wie beim Thema Nutzung von Medien, ist Mediation das Mittel der Wahl. Hier können die Themen und Interessen der Kinder direkt (z.B. durch ein „Kinderinterview“ oder als Beteiligte) oder indirekt (durch Perspektivwechsel der Eltern und Moderation der Mediatorin oder des Mediators) berücksichtigt werden. Das Thema Medien wird in vielen Familienmediationen bereits neben den anderen "üblichen" Themen (z.B. bei Trennung und Scheidung) behandelt.


Folgende Gedanken könnten dabei relevant sein:


1. Konfliktanalyse: Welche Rolle spielen Medien in der Familie?


-       Häufige Konfliktfelder:

  • Exzessive Nutzung von Smartphones, Tablets, Sozialen Medien oder Gaming-Plattformen, ersteres auch seitens Erwachsener für die Arbeit, im Homeoffice, etc. – Stichworte: „Always On“ & „FOMO - fear of missing out“.

  • Unterschiedliche Auffassungen über Regeln zur Mediennutzung (z. B. Bildschirmzeit oder am Essenstisch (Eltern und/oder Kinder).

  • Sicherheit und Datenschutz im Internet (z. B. Umgang mit persönlichen Daten, Teilen von privaten Bildern, Sharenting, etc.).

  • Einflüsse durch problematische Inhalte (z. B. Gewalt, Cybermobbing, Fake News).

  • Mangelnde Kommunikation in der Familie durch übermäßige Mediennutzung.


-       Ansatz der Mediation:

  • Klären, wie jedes Familienmitglied die Mediennutzung erlebt und welche Interessen, Bedürfnisse oder Wünsche, ggf. Ängste dahinterstehen.

  • Verständnis für die Perspektiven aller Beteiligten schaffen (z. B. Kinder/Jugendliche vs. Eltern oder umgekehrt).


2. Gemeinsame Ziele und Werte entwickeln


-       Themen für den Dialog:

  • Was bedeutet verantwortungsvoller Medienkonsum in der Familie?

  • Welche Werte sollen durch die Mediennutzung unterstützt werden? (z. B. Bildung, soziale Interaktion, Kreativität).

  • Wie könnte mit und ohne Medien die Beziehung und Kommunikation innerhalb der Familie gefördert werden?


-       Mediationsansatz:

  • Familienmitglieder erarbeiten gemeinsam Grundsätze für den Umgang mit Medien, ggf. auch Abschluss eines Handynutzungsvertrages.

  • Herausstellen auch von positiven Aspekten und Chancen der Mediennutzung, um einen konstruktiven Rahmen zu schaffen.

  • Anerkennung der Lebenswirklichkeit der Kinder & Eltern.


3. Medienregeln und Strukturen festlegen


-       Konkretisierung:

  • Bildschirmzeit-Regeln (z. B. maximale Nutzungsdauer pro Tag/Woche, WLAN-Zeiten festlegen, Handy nachts aus dem Kinder- & Schlafzimmer).

  • Nutzung bestimmter Räume (z. B. keine Smartphones am Esstisch).

  • Altersspezifische Inhalte finden (z. B. Smartphone: Sperren für ungeeignete Inhalte, Jugendschutzfilter).


-       Gemeinsame Vereinbarungen:

  • Alle Familienmitglieder erarbeiten und akzeptieren die Regeln (auch die Erwachsenen!).

  • Aushandeln von Ausnahmen und Konsequenzen bei Regelverstößen.


4. Förderung von Medienkompetenz für alle Familienmitglieder


-       Für Kinder und Jugendliche:

  • Unterstützung bei der sicheren Nutzung von (Sozialen) Medien (z. B. Datenschutz, Privatsphäre, etc.).

  • Lernen, wie mit problematischen Inhalten (z. B. Fake News, Hassrede) umgegangen werden könnte (Vertrauen schaffen, dass sich die Kinder an ihre Eltern wenden, ohne „Sanktionsangst“).


-       Für Eltern:

  • Sensibilisierung für die (mediale) Lebenswelt ihrer Kinder.

  • Vermittlung von Kompetenzen zur Unterstützung (z. B. Apps gemeinsam einrichten, Mediennutzung begleiten).

  • Schulung im Vorbildverhalten: z. B. bewusster Umgang mit eigener Smartphone-Nutzung.

  • Medienkompetenzseminar besuchen.


5. Kommunikation in der Familie verbessern


-       Problem: Medienkonsum statt Gespräch:

  • In vielen Familien führt die Mediennutzung zu einem Rückgang der direkten Kommunikation, der gemeinsamen Gespräche und Mahlzeiten.


-       Lösungsansätze:

  • Gemeinsame medienfreie Zeiten etablieren (z. B. „Digital Detox“).

  • Spiele oder Apps finden, die den Austausch fördern (z. B. Quiz-Apps oder interaktive Lernspiele).

  • Familiengespräche über Medieninhalte anregen (z. B. Diskussionen über Filme, Serien, Memes, neue Apps oder Nachrichten).


6. Mediation bei medienbezogenen Konflikten


-       Typische Konflikte:

  • Uneinigkeit über Bildschirmzeiten.

  • Streit über die Geeignetheit von Medieninhalten.

  • Konflikte über Altersgrenzen.

  • Vorwürfe wegen Ablenkung und mangelnde Aufmerksamkeit.

  • „Helikopter-Eltern“ vs. jugendlicher Wunsch nach Privatsphäre.


-       Mediationsmethoden:

  • Techniken wie aktives Zuhören und Ich-Botschaften, um Verständnis zu schaffen.

  • Gemeinsames Erarbeiten von Lösungen, die die Bedürfnisse aller berücksichtigen.


7. Ressourcen und Tools einbinden


-       Elternratgeber und Plattformen:

  • Z.B. „Klicksafe“, „Internet-ABC“, „SCHAU HIN!“ – Materialien und Tipps zur Medienerziehung.

  • Familien-Apps zur Verwaltung der Medienzeit und Kontrolle ungeeigneter Inhalte.


-       Medienkompetenz-Workshops:

  • Die Eltern nehmen gemeinsam an einem Workshop für Medienkompetenz teil,

  • die Kinder z.B. an einem Peer-to-Peer-Angebot,

um Wissen zu erweitern und gegenseitiges Verständnis zu fördern.


8. Stärkung der Eigenverantwortung & Selbstbefähigung

  • Kinder und Jugendliche aktiv in die Verantwortung für ihren Medienkonsum einbinden.

  • Eltern lassen sich Technisches von ihren Kindern erklären, die diesbzgl. in der Regel fitter sind.

  • Mediation kann helfen, die Balance zwischen elterlicher Kontrolle und kindlicher Autonomie zu finden.

 

Fazit: In einer Familienmediation kann das Thema Medien auch als Brücke dienen, um Konflikte zu klären und gleichzeitig die Medienkompetenz aller Familienmitglieder und die Kommunikation zu fördern. Ziel der Mediation könnte sein, als Familie in den Austausch zu kommen, voneinander zu lernen und gemeinsame Regeln zu entwickeln, die die Perspektiven jedes Einzelnen und der gesamten Familie berücksichtigen. Dies um einen reflektierten Umgang mit Medien – sowohl der Kinder als auch der Eltern - zu ermöglichen. Alle Themen, Interessen und Bedürfnisse der Kinder und der Elter(n) können gemeinsam mediativ erörtert und konstruktive, individuelle Lösungen gefunden werden. Dies kann die Familien befähigen, kompetenter mit dem Thema Medien und in Zukunft insgesamt konfliktfreier in der Familie miteinander umzugehen.


Eines sollte jedoch nicht vergessen werden, nämlich, dass bei aller Medienkompetenz, die Realerfahrung wichtig für die Entwicklung von Kindern ist (z.B. in den Wald gehen, in eine echte „Pfütze“ springen, einen Käfer beobachten, sich mit Freunden auf dem Spiel- oder Sportplatzt treffen, auf einen Baum klettern, ein Bild mit Stiften malen, etwas mit einer Schere ausschneiden, balancieren, sich schmutzig machen …).


Medienkompetenz ist zwar in einer zunehmend digitalisierten Welt eine Schlüssel-qualifikation, sie sollte jedoch aus Gründen der Gesundheit, Persönlichkeitsentwicklung und Verbindung zur Umwelt, insbesondere für Kinder, auf zuvor gemachte, analoge Erfahrungen aufbauen können.  Während digitale Medien wertvolle Lern- und Kommunikationsmöglichkeiten bieten können, sind „echte“ Erlebnisse und Erfahrungen unverzichtbar, um die physische, mentale und emotionale Gesundheit zu fördern. Bewegung, Naturerlebnisse und soziale Interaktionen stärken die Entwicklung und beugen Problemen wie Bewegungsmangel, Stress oder digitaler Überforderung vor.


Eine ausgewogene Balance zwischen digitalen und realen Erlebnissen ist entscheidend, um Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen und damit Familien die bestmöglichen Voraussetzungen für ein gesundes, erfülltes und nachhaltiges Leben zu bieten. Auch solche Aspekte gehören zum Thema Medienkompetenz im Rahmen einer Familienmediation. Damit findet nicht "nur" ein Empowerment von Familien in Sachen Mediennutzung durch Mediation statt, sondern die Familien werden insgesamt "als Ganzes" selbstwirksam gestärkt.


© Olivia Alig, Rechtsanwältin & Mediatorin, 05.12.2024, olivia.alig@medienanwaeltin.de

Lehrbeauftragte FUAS, FB 04 (Medienrecht, Kinder- & Jugendmedienschutz)

Mitglied Bundesfachausschuss "Digitales Leben" DKSB Bundesverband e.V.

 

*Hier gehen die Fachmeinungen auseinander, teilweise wird die Altersgrenze 11 Jahre genannt, einige geben 14 Jahre an. Australien hat gerade per Gesetz die Social Media Nutzung von Kindern bis 16 Jahre verboten …



Mediation

Mittelweg 43 VH D-60318 Frankfurt/M.

Tel.:+49(0)69/66 16 97 -36



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